„Biotisch“ heißt „von Lebewesen verursacht“. Viele biotische Einwirkungen auf Bäume kann man als natürliche (und ökologisch wichtige) Wechselbeziehungen verstehen: Jeder Organismus ist zugleich Lebens- und Nahrungsgrundlage für andere. So ist Blattfraß, wenn er nicht die Vitalität des Baums stark einschränkt, ein ganz normaler Vorgang. Auch daß Baumstämme von Algen und Flechten besiedelt werden, ist kein schlimmes sondern – zumindest im Falle der Flechten – eher ein gutes Zeichen: Sie sind Anzeiger für saubere Luft.
Holzzersetzende Pilze ernähren sich entweder von der in den Zellwänden des Kern- oder Splintholzes eingelagerten Zellulose (Braunfäule) oder vom Holzstoff Lignin (Weißfäule). Im ersten Fall verliert das Holz seine Elastizität, im zweiten die Festigkeit. Eintrittspforte für solche Pilze sind Rindenverletzungen oder Schnittstellen, aber auch Fraßgänge von Insekten. Manche Arten wie der bekannte, aber relativ harmlose Zunderschwamm, der eher Totholz besiedelt, sind schon von weitem deutlich erkennbar, andere wie der Brandkrustenpilz haben kleine, kaum sichtbare Fruchtkörper. Vor allem letzterer führte in der Vergangenheit öfter zu überraschenden Brüchen von Linden, deren Stammfuß- und Wurzelholz ohne deutlich sichtbare äußere Symptome nahezu vollständig zersetzt war und gilt inzwischen meist als Grund für die sofortige Fällung eines Straßenbaums.
Welkekrankheiten äußern sich im selektiven Vertrocknen und Absterben einzelner Äste, später eventuell des ganzen Baums. Im Gegensatz zu Tausalzschäden, bei denen ebenfalls eine räumlich begrenzte Schädigung der Krone auftreten kann, ist die Veränderung hier sehr plötzlich und erfaßt sowohl den betroffenen Ast als auch die Blattflächen gleichmäßig. Ursache sind Pilze, die mit ihrem Myzel in die Leitungsbahnen des Splintholzes eindringen, wodurch letztlich die Wasserleitung unterbrochen wird. Bekannte Welkekrankheiten sind das Ulmensterben und der Pappel-Rindenbrand. Auch Bergahorn und Platane werden von Welkekrankheiten befallen.
Zur Ehrenrettung der Pilze sei gesagt, daß die meisten Bäume ohne sie gar nicht leben könnten: An anderer Stelle, nämlich an den Wurzeln, gehen fast alle Baumarten Symbiosen mit Pilzen ein, wobei der Pilz dem Baum durch sein Myzel (Wurzelgeflecht) zusätzliches Wasser zuführt und im Gegenzug fertige Nährstoffe von diesem erhält. Der Fachbegriff für diese Wechselbeziehung lautet Mykorrhiza. Einige dieser Pilze sind den Sammlern gut bekannt, viele sind für uns kaum sichtbar, weil sie nur ganz unscheinbare Fruchtkörper bilden.
Das derzeit bekannteste Schadinsekt an Straßenbäumen dürfte die Kastanien-Miniermotte sein. Dieser unscheinbare Schmetterling wurde 1984 in Mazedonien – im Heimatgebiet der Roßkastanie – erstmals an Kastanien gefunden und hat sich seitdem über ganz Mitteleuropa ausgebreitet. Ursprünglich kommt er, wird vermutet, aus Asien. Die Miniermotte ist nicht das erste Beispiel dafür, daß die vom Menschen geschaffenen Verbindungen zwischen den Kontinenten unerwartete Dynamik in der Pflanzen- und Tierwelt auslösen. Allerdings sind Ökosysteme auch von Natur aus nicht langfristig stabil sondern einem ständigen Wandel unterworfen. Die „Minen“ (Fraßgänge) im Kastanienblatt werden von den Larven des Insekts verursacht, das in drei bis vier Generationen pro Jahr auftritt und als Puppe im abgeworfenen Laub überwintert.
An Pappeln kann der Hornissen-Glasflügler, ein mit seiner Tarnkleidung an eine Wespe oder Hornisse erinnernder Schmetterling, indirekt Schaden anrichten, weil die Fraßgänge seiner Larven im Holz das Eindringen von Pilzen in den Stammfuß- und Wurzelbereich begünstigen. Er ist hier nur als eines von vielen Beispielen für die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen und Tieren angeführt, die eben auch mit einer Schädigung des jeweiligen Wirtsorganismus verbunden sein können. Meist harmlos dagegen sind die sogenannten Gallen, Wucherungen an Blättern, Blattstielen oder anderen Pflanzenteilen, die der Baum erzeugt, um Insektenlarven zu behausen.
Die in der Forstwirtschaft berüchtigten (und dort erst durch großflächige Monokulturen zum ernsten Problem gewordenen) Borkenkäfer haben an Straßenbäumen geringere Bedeutung, jedoch wird das Ulmensterben (genauer gesagt, die Sporen des Pilzes) von einem Käfer übertragen. Auch andere Pilzkrankheiten wie die Verticillium-Welke des Bergahorns können durch Insekten verbreitet werden.
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